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Pressemitteilung

ÖDP Niedersachsen befürwortet strenge Düngeverordnung

Überhöhte Nitratwerte im Grundwasser sind seit Jahrzehnten bekannt

Die ÖDP Niedersachsen fordert jetzt eine verursachergerechte Umsetzung der bisher heftig umstrittenen Düngeverordnung, die kürzlich im Bundesrat beschlossen wurde. Der agrarpolitische Sprecher des ÖDP-Landesverbands, Martin F. Dreß (Bad Zwischenahn) betont: „Die überhöhten Nitratwerte im Grund- und Trinkwasser insbesondere im Nordwesten Niedersachsens mit ihrer Intensivtierhaltung sind seit Jahrzehnten bekannt, und sie verschlimmern sich.“ Dreß, von Beruf Diplom-Agraringenieur in der Fachrichtung Gartenbau, ergänzt: „Die niedersächsische Landesregierung steht jetzt in der Verantwortung, gemeinsam mit Landwirten, den Umweltverbänden und den Wasserwirtschaftsbetrieben eine verursachergerechte Ausweisung von besonders stark belasteten Gebieten vorzunehmen.“ Wenn dabei ein großer Anteil von Messstellen erhebliche Mängel aufweise, wie ein jetzt vom niedersächsischen Landvolk in Auftrag gegebenes Gutachten ergibt, dann müsse schnellstmöglich nachgebessert werden. „Das darf aber nicht dazu dienen, das Problem nochmals auf die lange Bank zu schieben,“ sagt Dreß. „Die Landwirtschaft soll uneingeschränkt gesunde und wertvolle Lebensmittel erzeugen. Doch dürfe der Umweltschutz nicht weiter hintenanstehen – im Gegenteil: Nur im Einklang mit dem Natur- und Umweltschutz ist langfristig eine verantwortbare Landwirtschaft und Nutztierhaltung überhaupt möglich!“, so Dreß, zugleich stellvertretender ÖDP-Landesvorsitzender.

Die gegenwärtige Diskussion zur Nitratbelastung des Grundwassers, aus dem zu 80% unser Trinkwasser gewonnen wird, muss in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Nitrate, die in der modernen Landwirtschaft durch Ausbringung von Gülle und durch Mineraldünger in das Grundwasser gelangen, sind schwer gesundheitsschädlich. Durch Aufnahme von Nitraten entstehen im menschlichen Körper Nitrosamine oder Nitrit. Dieser Stoff ist insbesondere für Kinder und Babys sehr gefährlich, weil er die roten Blutkörperchen angreift, die den Sauerstoff durch den Körper transportieren. Außerdem steht Nitrit im Verdacht, Krebs zu verursachen, die Aufnahme von Jod zu stören und die Gefäße zu verstopfen. Nitrate können aus dem Grundwasser nur durch enorm aufwendige, sehr teure Filterverfahren (Umkehrosmose) entfernt werden, was zurzeit nicht der Fall ist. Obwohl die EU mit ihrer Agrarpolitik, so genannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), voll auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft auf dem Weltmarkt setzt und somit wenig Rücksicht auf die natürlichen Ressourcen wie sauberes Grundwasser und fruchtbare Ackerböden nimmt, hat sie frühzeitig die Gefahr von Nitraten aus der Landwirtschaft erkannt und eine Richtlinie zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen erlassen, sogenannte Nitratrichtlinie. Die Mitgliedsstaaten der EU haben die Pflicht, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Weil Deutschland durch seine Gesetzgebung seiner Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie nicht ausreichend nachgekommen ist, hat die EU im Mai 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Der Europäische Gerichtshof hat im Juni 2018 Deutschland wegen Verletzung der Nitrat-Richtlinie verurteilt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium unter der Leitung von Julia Klöckner hat daraufhin erklärt, mit der Europäischen Kommission in einen Dialog zur Umsetzung des Urteils und der Nitrat-Richtlinie einzutreten, denn bei weiteren Verstößen droht dem deutschen Staat ein Bußgeld von 860 000 Euro pro Tag. Im Juni 2017, also noch vor Verkündigung des Urteils, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium bereits eine neue Düngeverordnung erlassen. Auf die Details soll hier nicht eingegangen werden. Generell kann gesagt werden, dass hier für die Düngung standortbezogene Obergrenzen vorgegeben werden, eine Überschreitung der Grenzen ist eine Ordnungswidrigkeit. Aber angesichts der Tatsache, dass immer mehr Messstellen, bundesweit zurzeit ungefähr ein Viertel, erhöhte Nitratwerte ausweisen und der Trend der Nitratbelastung des Grundwassers generell nach oben geht, hat sich das Bundeslandwirtschaftsministerium Anfang 2019 für noch schärfere Düngeregeln entschieden. Eine wichtige Maßnahme besteht darin, dass in all den Gebieten, wo die Nitratbelastung den EU-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser überschreitet, die Bauern zukünftig 20% weniger Gülle auf den Feldern verteilen dürfen. Es gibt Gegenden in Deutschland, die durch die Massentierhaltung so schwer von Nitraten belastet sind, dass das Grundwasser nicht mehr zur Trinkwassergewinnung genommen werden kann. Das ist zum Beispiel in Niedersachsen im Raum Cloppenburg, Oldenburg und Osnabrück der Fall. Hier wird das Grundwasser, wenn es überhaupt noch genutzt werden kann, mit dem Wasser aus den Harztalsperren verschnitten/vermischt, um die Grenzwerte noch einigermaßen einzuhalten.

Die heutigen Probleme mit dem nitratverseuchten Grundwasser nahmen ihren Anfang unter Landwirtschaftsminister Seehofer in der Großen Koalition aus CDU und SPD ab 2005. Seehofer folgte im Landwirtschaftsministerium auf Renate Künast, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz von 2001 bis 2005 in der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer. In der Düngeverordnung 2006 fehlt die Verpflichtung, für jeden bäuerlichen Betrieb eine Nährstoffbilanz zu erstellen, es fehlt aber auch die Strafbarkeit bei der Überschreitung von Düngeobergrenzen. Wer zu viel Gülle ausbringt, bleibt straffrei. Daran hat sich bis heute nichts geändert! Die EU-Agrarbeihilfen für die Entwicklung ländlicher Räume, hier geht es um umwelt- und tiergerechte Haltungsverfahren und Agrarumweltprogramme, wurden um 50% gekürzt, die Umstellung auf Ökolandbau wurde erheblich reduziert. Das verbleibende Geld für die ländliche Entwicklung wurde für die Subventionierung großindustrieller Tierhaltungen eingesetzt. Die Flächenbindung der Tierhaltung als Fördervoraussetzung wurde aufgehoben. Nachzulesen ist das alles im kritischen Agrarbericht des BUND aus dem Jahre 2007. Zwar schreibt die vorgeschriebene Wasserrichtlinie der EU vor, dass sich der Zustand des Grundwassers nicht verschlechtern dürfe. In Deutschland verwässerten die Bundesländer diese Vorgabe bis zur Unwirksamkeit durch zahlreiche Ausnahmen und Privilegien für die Landwirtschaft. Der entscheidende Punkt aber ist: Die Tierbestände wachsen rasant, während die Flächen zur Ausbringung der Gülle nicht mitwachsen. Eine Lösung des Problems wäre, die Tierbestände in Deutschland zu reduzieren und die alte Bindung an die landwirtschaftlichen Flächen wieder einzuführen. Die ÖDP fordert deshalb, den Viehbesatz auf 2 Großvieheinheiten pro Hektar zu begrenzen. Dadurch wird die Nitratbelastung der Böden und des Grundwassers ganz entscheidend reduziert, bzw. ganz beseitigt. Dass dadurch die Fleischproduktion und die Produktion tierischer Produkte erheblich eingeschränkt werden und der Verbraucher höhere, aber auch ehrliche Preise bezahlen wird, ist eine notwendige Folge. Die gegenwärtige Politik favorisiert allerdings eine andere Lösung. Wenn die Gülle auf nitratbelasteten Böden nicht oder nur noch in geringerem Umfang ausgebracht werden darf, dann gibt es ja immer noch sogenannte nährstoffarme Gegenden. Also mehr Gülletourismus! Wie wir wissen, wird auch die Gülle aus den Niederlanden in Niedersachsen entsorgt.

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