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Positionspapier Glyphosat

ÖDP Niedersachsen fordert unverzüglichen Widerruf der Zulassung von Glyphosat!

Wir brauchen dringend eine ökologische und soziale Agrarreform, die es Landwirtinnen und Landwirte ermöglicht, Klima, Natur und landwirtschaftliche Flächen zu schützen und gleichzeitig gesunde Lebensmittel zu fairen Preisen zu erzeugen. 

Glyphosat in Nahrungsmitteln und Trinkwasser                                                                                             

In der konventionellen Landwirtschaft wird Glyphosat eingesetzt, um Äcker vor der Aussaat unkrautfrei zu spritzen. In Deutschland ist Glyphosat das am meisten verkaufte Herbizid. Glyphosat wird immer häufiger in Lebensmitteln nachgewiesen, sei es z.B. in Honigsorten oder den allseits beliebten Nudeln sowie Mehlsorten und Backwaren. 1*

Sehr verstörend ist der Nachweis, dass menschliche Embryonen bereits über die Plazenta Glyphosat aufnehmen bzw. Neugeborene über die Muttermilch dieses Pestizid zu sich nehmen. 2* 

Regionen mit massivem Einsatz von glyphosat-haltigen Pestiziden verzeichnen einen Anstieg von Missbildungen bei Neugeborenen (Red Agroforestal Chaco Argentina 2010 (PDF); engl. Fassung). Glyphosat wurde ebenfalls in menschlichem Urin nachgewiesen. Es wurde dokumentiert, dass Glyphosat als ‚wahrscheinlich krebserregend‘, in der zweithöchsten Gefahrengruppe „2A“, einzustufen ist. 3*

Untersuchungen aus Januar 2021 zeigen, dass unser Trinkwasser in großer Gefahr ist. Ein Zusammenschluss westeuropäischer Trinkwasserversorger aus sieben Ländern fordert die EU-Landwirtschaftsminister, die EU-Kommission, das Europaparlament und die Bundesregierung zum Umsteuern in der Agrarpolitik auf. Sie warnen vor großen Schäden für das Grundwasser, sollte der Eintrag von Pestiziden, Gülle und Düngemitteln durch die konventionelle Landwirtschaft nicht deutlich reduziert werden. Im Untersuchungsbericht heißt es, dass schon jetzt absehbar ist, dass selbst eine Nachrüstung in den Wasserwerken nicht mehr ausreichen wird, um alle Belastungen zu entfernen. Hinter der Initiative stehen Trinkwasserversorger-Gemeinschaften aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich, den Niederlanden, der Schweiz und Liechtenstein, die insgesamt 81 Millionen Menschen beliefern. 4*

Umweltverbände weisen auf eine weitere Probelmatik, nämlich die Artenvielfalt, hin. Wie der NDR in einem aktuellen Beitrag schreibt, sehen NABU und BUND “in chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln einen der Hauptverursacher für den Verlust der Biodiversität. "Viele der eingesetzten Chemikalien sind hochgiftig, schädigen die Artenvielfalt, sind krebserregend oder sogar hormonell wirksam", so der BUND Niedersachsen. Herbizide wie beispielsweise Glyphosat töteten alle Ackerwildkräuter ab, so dass blütensuchende Insekten keine Nahrung mehr fänden.” 5* 

Darüber hinaus zeigt sich, dass es durchaus Zeiten gab, in denen die Landwirtschaft mit dem Einsatz von deutlich weniger Glyphosat die Bevölkerung ernähren konnte. 

Das am 10.02.2021 auf den Weg gebrachte Gesetz des BMU ist ein guter Anfang, wir fordern jedoch dazu auf, dass Landwirte*innen für wirksame Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen direkt entlohnt werden. 6*

1*(https://utopia.de/spaghetti-oeko-test-222437/?fbclid=IwAR2HUXnWvhXf0vrTN3T7xAY-mBcQZGmXtDWhp3ZuPWLy0Bp0niDluhCU9Cc)

2* pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19647068/

      

3*https://www.bund.net/umweltgifte/glyphosat/studien-fakten/?wc=21737           

4*https://www.ndr.de/nachrichten/info/meldungen/nachrichten313_con-21x01x11x09y11.html      (11.01.2021 Bericht um 09:11 Uhr)       

5*https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Chemische-Pestizide-MussEinsatz-bald-halbiert-werden,pflanzenschutzmittel128.html

6*https://www.bmuv.de/themen/bodenschutz/faq-plan-zum-glyphosat-ausstieg 

Forderungen der ÖDP Niedersachsen

- Verbot von Glyphosat zur Sikkation von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen, die der menschlichen Ernährung dienen

- derzeit im Handel befindliche Lebensmittel mit Pflanzenschutzmittelrückständen sind als solche für den Verbraucher eindeutig zu deklarieren

- Umverteilung der 390 Milliarden Euro Zuschuss an Landwirtinnen und Landwirte zu 50% an all‘ die Betriebe, die ausschließlich ökologisch nachhaltig arbeiten

-unumstößliche gesetzliche Festlegung, dass Glyphosat in landwirtschaftlichen Betrieben sofort verboten wird – ohne jedwede Ausnahmen!        

 

Glyphosat in der Umwelt

Die Anwendung von Glyphosat erhöht die Ansammlung von eigentlich benötigten Nährstoffen wie Nitrat und Phosphat in unseren Böden und schadet den Regenwürmern, wie eine Studie der Universität für Bodenkultur in Wien zeigt.

Pflanzen haben eine höher verfügbare Menge von Nitrat und Phosphat, wenn das Beikrautwachstum eingedämmt wird.  In der Folge können die Nährstoffe von den Pflanzen nicht vollständig aufgenommen und bei Regen ausgewaschen werden. Des Weiteren ging die Aktivität der Regenwürmer auf den Flächen zurück und ihre die Reproduktion halbierte sich, dies führt langfristig zu einer Verschlechterung der Bodenqualität. 1*

Ein weiterer negativer Effekt auf die Fruchtbarkeit des Bodens entsteht dadurch, dass Glyphosat das Wachstum von bestimmten krankheitserregenden Pilzen, sogenannten Fusarien, begünstigt und somit die Nutzpflanzen bei der Aufnahme von wichtigen Mikronährstoffen stört. 2*

Glyphosat sowie das Abbauprodukt AMPA werden im Boden von organischem Material sowie Tonmineralien aufgenommen und nur sehr langsam abgebaut. Dies führt zu einer Akkumulation, welche bei Starkregen zu massiven Auswaschungen in die Flüsse führt.

Eine Studie aus der Schweiz mit über 1000 Proben aus Oberflächen-, Grund- und Abwasser belegt, dass alle Fließgewässer unterschiedlich stark mit Glyphosat und AMPA belastet waren. In den regelmäßigen Untersuchungen wurden die Stoffe in Konzentrationen von 0,11 bis 2,6 μg/l nachgewiesen. In nur 40 von 583 Proben lag der Wert unter der Marke von 0,005 μg/l. 3*

Dank neuer Messverfahren sind Glyphosat und AMPA auch in der Ostsee nachweisbar, somit zeigt sich, dass sich die Stoffe auch in Flüssen nicht abbauen, sondern bis in die Ozeane gespült werden.

Die Glyphosatkonzentrationen zwischen 0,42 und 0,49 ng/l waren, unabhängig von der Entfernung zur Küste, recht konstant, mit Ausnahme einer Messung von 1,22 ng/l in der inneren Lübecker Bucht.

Die AMPA-Konzentrationen hingegen waren mit maximal 1,47 ng/l in der Nähe von Flussmündungen deutlich höher als weiter draußen im Meer, wo sie zum Teil unter die Nachweisgrenze der neuen Methode fielen. 4*

Die Verbreitung von Glyphosat in der Luft geschieht flächendeckend und ist nicht kontrollierbar. Glyphosat gelangt über die Atemluft (etwa 500 Liter Luft pro Stunde) direkt ins Blut, ohne - wie beim Essen - von der Leber entgiftet zu werden; es ist völlig unbekannt, wie die über die Lunge aufgenommenen Pestizid-Partikel vom Körper abgebaut werden. Die sogenannten ADI-Grenzwerte (akzeptable Tagesdosis von Glyphosat an, die ein Mensch schadlos aufnehmen kann) beziehen sich nur auf die Menge, die über Nahrungsmittel aufgenommen wird; die über die Atemluft aufgenommenen Menge kommt noch dazu. 5*

1*(https://www.agrarheute.com/land-leben/studie-naehrstoffverluste-weniger-regenwuermer-glyphosat-510706)

2*( www.agrarkoordination.de/fileadmin/dateiupload/PDF-Dateien/Agrarinfos/Buko_181.pdf)

3* (Occurrence of the herbicide glyphosate and its metabolite AMPA in surface waters in Switzerland determined with on-line solid phase extraction LC-MS/MS. Poiger et. al. Environmental Science and Pollution Research (2017) )                               

4* (15.12.2020 globalmagazin.com/wie-viel-gift-verschmutzt-die-ostsee/ )

  

5*https://umweltinstitut.org/landwirtschaft/pestizide-in-der-luft/ 

 

Forderungen der ÖDP Niedersachsen                                                                                                        

- Lebensmittel, die unter massivem Einsatz von Herbiziden sowie Pestiziden erzeugt werden, sind  mit einer höheren MwSt. zu belegen, die Preisdifferenz steigert die Attraktivität von biologisch erzeugten Lebensmitteln.

- Verpflichtende Einführung eines Schulfachs mit den Schwerpunkten: Gesundheit, Ernährung, Erzeugnis gesunder Lebensmittel

 

Rechtliche Regelungen im Pflanzenschutz und Zuständigkeiten   
Regelungen zum Pflanzenschutz gibt es auf EU-, Bundes- und Länderebene. Dabei kommt dem Umweltverhalten eines Pflanzenschutzmittels besondere Bedeutung zu, neben dessen Bestimmung einer Wirksamkeit zur Bekämpfung von Schadorganismen. Das Umweltverhalten bezieht sich auf die Bereiche Boden, Wasser, Luft und die belebte Natur. Darüber hinaus gilt es unabdingbar, den Verbraucher vor Gefahren durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, z.B. durch Rückstände  in Lebensmitteln, zu bewahren.

Folgende grundlegende Rechtsvorschriften sind u.a. hervorzuheben

• Die EU-Verordnung 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Zulassungsverordnung) ist die Grundlage für das Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, sowie weitere EU-Verordnungen.

• Das Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz)

Die gute fachliche Praxis (GFP) beschreibt die allgemeinen Grundsätze für die Durchführung eines bestimmungsgemäßen und sachgerechten Pflanzenschutzes nach dem aktuellen Wissensstand. Zur GFP gehört, dass die Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes und der Schutz des Grundwassers berücksichtigt werden.

Auf der Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes wurden vielfältige Verordnungen erlassen, z. B.:

             Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung

             Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung

             Bienenschutzverordnung.

Daneben greifen weitere EU-Verordnungen, EU-Richtlinien u.a. in die Belange des Pflanzenschutzes ein. Die Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes, einschließlich der Überwachung der Einhaltung seiner Vorschriften, obliegt den Bundesländern.  In Niedersachsen ist es das Pflanzenschutzamt, das zur Landwirtschaftskammer Niedersachsen gehört.

Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

Die Prüfung und Bewertung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt nach EU-einheitlichen Grundsätzen. Dabei werden die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln in einem EU-Gemeinschaftsverfahren geprüft.

In Deutschland ist die federführende zuständige Behörde für die Zulassung das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).                                   

Folgende Behörden sind am Zulassungsverfahren beteiligt:

• Das Umweltbundesamt: Es bewertet das Verhalten in der Umwelt und die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt.

• Das Julius-Kühn-Institut (JKI): Es bewertet die Wirksamkeit, die Pflanzenverträglichkeit und den Nutzen von Pflanzenschutzmitteln.

• Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR): Es bewertet das gesundheitliche Risiko von Pflanzenschutzmitteln.

Verbleib von Wirkstoffen in der Umwelt und Ökotoxikologie

Für Pflanzenschutzmittel und ihre Wirkstoffe ist eine Risikoabschätzung im Zulassungsverfahren erforderlich. Dazu gehört u.a. das Abbauverhalten in Boden und Wasser, der Transport in der Luft und die Mobilität im Boden. Im Bereich der Ökotoxikologie werden die Auswirkungen auf Vögel und Säuger, Gewässerorganismen, Insekten und Spinnentiere, Bodenorganismen und Pflanzen untersucht.

Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln

Bei der Bewertung von Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln kommen verschiedene Gesetze und Verordnungen zum Tragen. Dabei werden die Rückstandshöchstgehalte (RHG) wirkstoffspezifisch festgelegt. Ursachen für unerwünschte Rückstände auf Lebensmitteln sind u.a.:

• Nichteinhaltung der guten Fachlichen Praxis (GFP), z.B. Nichtbeachtung der Zulassungssituation, Nichteinhaltung von Wartezeiten, maximaler Aufwandmenge und sonstiger Anwendungs-beschränkungen.

• Abdrift bzw. thermische Verfrachtung, z.B. Nichteinhaltung erforderlicher Abstände, Nichtbeachtung von Windrichtung und Windstärke, Nichtverwendung von abdrift-mindernder Düsen.

• Verschleppung bzw. Übertragung, z.B. unvollständige Reinigung des Spritzgerätes nach dem Wechsel von Wirkstoffen.

Das Herbizid Glyphosat                    

Im Jahr 1971, also genau vor 50 Jahren, wurde Glyphosat als Totalherbizid eingeführt. Es gehört zu den Organophosphorverbindungen. Ihre weltweit große Verbreitung ist Folge der Entwicklung von Kultursorten mit gentechnisch erzeugter Herbizidresistenz. Für Glyphosat existiert eine Zulassung für den Einsatz im Ackerbau zur Flächenvorbereitung für die Aussaat, die Bekämpfung von Ausfallgetreide und die Ernteerleichterung durch Sikkation. Weitere Einsätze finden in landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Kulturen wie Obst- und Weinbau, Gemüsebau und Baumschulen statt. Auch auf Nichtkulturland (auf Wegen, Plätzen, Gleisanlagen) kann Glyphosat nach Genehmigung eingesetzt werden.

 1 Hallmann, Johannes und Tiedemann, Andreas von: Phytomedizin, Stuttgart 2019, S. 324

 2 Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein: Pflanzenschutz-Ratgeber Baumschule, 2018, S. 6f

  3 Hallmann, Johannes und Tiedemann, Andreas von: Phytomedizin, Stuttgart 2019, S. 333f

  4 A.a.O., S. 7

5 Vgl. Hallmann, Johannes und Tiedemann, Andreas von: Phytomedizin, Stuttgart 2019, S. 325f

 6 Vgl. Hallmann, Johannes und Tiedemann, Andreas von: Phytomedizin, Stuttgart 2019, S. 330f

 7 Vgl. Landwirtschaftskammer Niedersachsen: Management Broschüre Freilandgemüsebau, 2019,          s. 99ff

  8 Vgl. Hallmann, Johannes und Tiedemann, Andreas von: Phytomedizin, Stuttgart 2019, S. 304

 

Forderungen der ÖDP Niedersachsen

-  Die Zulassung von glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln ist in Deutschland unverzüglich zu widerrufen. Die Gefährdung von Boden, Wasser, Luft und die belebte Natur einschließlich, ist nachweislich immens.

-  Die ergebnisneutrale, unabhängige Forschung, insbesondere zu möglichen Wechselwirkungen verschiedener Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln, ist ab sofort zu intensivieren sowie transparent zu veröffentlichen.

- Pflanzenschutzmittelrückstände haben in Lebensmitteln nichts zu suchen, deshalb ist das Lebensmittelrecht als auch das Pflanzenschutzmittelrecht viel deutlicher und gesundheitsorientierter zu formulieren.